Heute ist Tauwetter. Die Sonne drückt blass durch einen dünnen Wolkenschleier, der sich aber bald verdichtet zu schnell dahinziehenden Wolken.
Jemand hat beim Parkplatz eine kleine Edeltanne in die Hecke gesteckt — ein entsorgter Weihnachtsbaum.
Heute beginnt das 39. Jahr meiner regelmässigen Baarburg-Besuche. 2678mal bin ich hier schon durch den Wald gestreift und jedes Mal ist er anders, ich entdecke ein neues Detail oder eine Veränderung, verursacht durch Mensch oder Tier, Wind und Wetter.
Beim Vorbeigehen streift mir ein Ast die Brille vom Gesicht und wir müssen lange suchen, bis wir sie in einem nahen Stechpalmenbusch finden.
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Viele Äste und Zweige liegen auf dem Boden, die der Schnee weggedrückt oder der Wind heruntergerissen hat.
Auf der verbliebenen Schneedecke liegt ein Teppich von Nadeln, Ästchen und Rindenabrieb — Material, das im Kreislauf der Natur den Boden anreichert, aber sonst unsichtbar bleibt.
Trotz der strahlenden Sonne ist es noch einige Grad unter Null. Bis auf wenige Reste ist der Schnee verschwunden, an schattigen Stellen ist der Waldboden aber mit weissen Graupelkörnern bedeckt. Das gefrorene Laub knistert unter den Füssen. Die tief stehende Sonne macht das Licht gelb und die Farben intensiv.
An einigen Orten hat es Haareis.
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Von Süden her ziehen nach und nach Wolken auf und unterdessen ist es etwas wärmer geworden.
Bis auf das Rauschen der Autobahn aus der Ferne ist der Wald absolut still. Selbst die Vögel sind verstummt.
Es ist kalt. Das Bergplateau berührt knapp den tief stehenden Hochnebel. Der dünne Nebelschleier legt sich wie ein kühles Tuch aufs Gesicht. Der Boden ist so hart gefroren, dass man das Gefühl hat, man gehe auf Fels.
An schattigen Orten hat es noch einige Schneereste.
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Jemand hat am Sockel einer Fichte mit -Ästchen und Moos eine kleine Struktur gebildet.
Bis auf das Grün der Nadelbäume sind die Farben im Winterwald rar geworden: ein leuchtend brauner Baumpilz, ein grüngelbes Efeublatt.
Wir begegnen heute weder Mensch noch Tier. Einmal raschelt es in der Nähe von einer Amsel, die unter dem Blätterteppich nach Futter sucht.
Es ist sonnig und warm — ein Hauch von Frühling liegt in der Luft.
Ein Schwarzspecht fliegt laut rufend hoch über uns hinweg.
Etwa 100 Meter entfernt äsen zwei Gemsen, eines deutlich kleiner als das andere — ein Kitz, das aber wohl bald schon ausgewachsen ist. Ab und zu mustern sie uns, flüchten aber nicht. Die hier ansässigen Gemsen haben wohl unterdessen gemerkt, dass Menschen ohne Hundebegleitung nicht gefährlich sind.
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Die Luft ist klar und am südlichen Horizont leuchten die verschneiten Berner Alpen mit Eiger, Mönch und Jungfrau.
In den nächsten Tagen bleibt es warm und so werden hier wohl bald die ersten Frühlingsblumen spriessen.
Der Wald ist kalt und feucht. Der graue Hochnebel macht das Licht stumpf.
Beim Plateaurand hängt an einem Buchenzweig ein weisses Blatt Papier mit der Aufschrift Winterwald und dem Bild von zwei eingeschneiten Nadelbäumen. Auf der Rückseite steht neben dem farbigen Signet der Gemeinde Baar Schulangebot Sportwoche.
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Im Unterstand liegt eine grosse Tasche, die mit weiteren Winterwald -Blättern gefüllt ist.
Am Rand des ausgelichteten Fichtenwalds sind die gefällten und entasteten Bäume zu einem grossen Stoss gestapelt.
Die Samenstände der Klematis haben Griffel, die aussehen wie weisse Flaumfedern.
Bereits blühen die ersten Haselsträucher .
Es ist leicht bewölkt und die Sonne scheint, aber es ist noch recht kalt.
Wir scheuchen zwei Rehe auf, das eine flieht gegen den Steilhang, das andere wartet im Unterholz, bis wir weitergegangen sind.
In eine Baumnische ist ein als Wellensittich bemalter Stein geklemmt.
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Am Fuss einer grossen Tanne hat jemand eine Art Zeltgerüst aus grossen Ästen gebildet.
Wie auch der Wellensittichstein ist das vermutlich eine Spur der letzten Sonntag angekündigten Schulsportwoche.
Der erste Huflattich des Jahres blüht. Letztes Jahr geschah das schon etwas früher, am 4. Februar, vor zehn Jahren erst am 8. März. Das ist wohl eines der vielen Zeichen der Klimaerwärmung.
Letzten Herbst bin ich hier einem Mann mit einem Metallsuchgerät begegnet und er hat erzählt, dass er auf der Baarburg einen spektakulären Fund gemacht hat, der aber vorläufig noch geheim bleiben soll. Nun hat die Kantonsarchäologie über die letztes Jahr im Kanton Zug gemachten Funde berichtet. In der Zuger Zeitung vom 28. Januar heisst es dazu: Als einer der Höhepunkte wird das auf der Baarburg von einem Sondengänger entdeckte, gut erhaltene Bronzerelief gesehen: Darauf kämpft ein Eber gegen einen Löwen. Über die Funktion rätseln die Fachleute noch immer.
Vor einer Woche haben wir hier die ersten Frühlingszeichen gesehen, jetzt ist nochmals Winter. Es hat etwas geschneit und nach einer Frostnacht ist der Boden hart.
Die wenigen Spuren von gestern sind gefroren, heute zeigt sich kein Tier und der Wald bleibt still.
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Die gelben Huflattichblüten haben sich gegen die Kälte gewappnet und sind geschlossen. Aber am Waldstrassenrand spriessen doch schon die ersten Bärlauchblätter.
Auf der Hinfahrt nieselt es. Wie wir uns dann zu Fuss auf den Weg machen, hört es auf und bleibt trocken, bis auf der Rückfahrt dann heftiger Regen einsetzt.
Es ist recht warm und verschiedene Frühlingsblumen beginnen zu blühen: Schlüsselblumen, Pestwurz und Märzenglöckchen. Wir sammeln auch etwas Bärlauch.
Ein vielstimmiges Vogelkonzert hallt durch den Wald. Ein Schwarzspecht fliegt rufend über den Baumkronen.
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Von Baar herauf hört man Blasmusik. Die Fasnacht hat begonnen.
Wir begegnen einem Paar im mittleren Alter. Zu meiner Überraschung fragen sie mich, ob ich auch wieder einmal hier sei. Es stellt sich heraus, dass sie diesen Blog regelmässig gelesen haben und von einem Programm jeden neuen Eintrag gemeldet erhielten. Aber diese Meldungen fielen plötzlich aus. Eine technische Panne. Auf das Baarburg-Projekt aufmerksam gemacht wurden sie durch den Artikel von Thomas Widmer in der Zeitschrift „Schweizer Familie“ und von der Baarer Sagenspezialistin Maria Greco.
Grauer Hochnebel, es ist zwar einige Grad über dem Gefrierpunkt, mit einer starken Bise wirkt es aber fast schneidend kalt.
Das wenige Frühlingsgrün verschwindet noch in den falben Winterfarben.
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Auf einer der Aussichtsbänke beim Unterstand sitzt ein junges Paar und verpflegt sich.
Wir begegnen einem jungen Mann mit einem kleinen Jagdhund, der uns zuerst heftig anbellt, sich dann aber bald wieder mit den vielen interessanten Gerüchen ringsum beschäftigt. Im Gespräch erfahren wir, dass der Mann Wildhüter ist und die Baarburg und die hier lebenden Tiere sehrt gut kennt. Letzthin habe er hier sogar einen der seltenen Uhus gesehen. Er schimpft über einen Mann, der kurz vorher auch an uns vorbeigegangen ist und seine zwei grossen Pudel frei im Wald herumtollen liess.
Es ist sonnig und warm. Die Sonne steht immer noch tief — das verursacht faszinierende Schattenbilder.
Beim Unterstand verpflegt sich ein junges Paar aus dem Rucksack.
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Vom Tal her hört man wummernde Bässe und Fetzen von Blasmusik. Fasnachtswagen fahren vom katholischen Kanton Zug, wo die Fasnacht am Aschermittwoch geendet hat, hinauf zum dem reformierten Hausen am Albis, wo sie heute beginnt.
Von Westen her ziehen langsam Wolken auf. Seitdem der wiedergewählt Präsident Trump mit seiner erratischen Politik alle Medien dominiert, machen sich heute sogar die Wolken lustig über ihn.
Graue Wolken, manchmal drückt die Sonne durch, aber eine heftige Bise verhindert, dass es warm wird.
An einem Buchenstamm ist ein eingerahmtes Kreuz eingeritzt. Vor langer Zeit. Wir gehen jede Woche an diesem Ort vorbei, haben dieses Graffito bis jetzt aber noch nie beachtet.
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Auf der Bank im Unterstand liegt eine zerdrückte Zündholzschachtel mit dem Bild des Jungfraumassivs. Bei klarem Wetter würde man den Berg auch am südlichen Horizont sehen.
Am feuchten nördlichen Bergsockel leuchtet das gelbe wechselblättrige Milzkraut. Im Pflanzenführer hat es zu dieser Pflanze folgende Anekdote: Die Französin Bernadette Soubirous hat im Jahr 1858 behauptet, dass die Jungfrau Maria ihr das in einer Höhle wachsende, bittere Kraut gezeigt habe, damit sie es essen konnte.
Auch die gelben Sumpfdotterblumen blühen.